Samstag, 13. September 2008

Bößartig? Wirklich! Seltsam ? Oder Ein ganz normaler tag?

Sie stiegen in den Zug ein. Ohne oberflächig wirken zu wollen erkannte man, dass sie sehr „geBILDet“ waren. Zumindest war das mein erster Eindruck, als ich sie aus dem Augenwinkel auf mich zukommen sah. Nichtsahnend laß ich „Bockmist“ [Hugh Laurie] als sich plötzlich 3 seltsame Menschen mir gegenüber platzierten. Und sie fingen sofort an wie wild ihre Stammtischparolen, wahrscheinlich auswendig gelernt, auszutauschen. Und irgendwie schafften sie es, dass der bis dahin sehr interessante und v.a. witzige Inhalt des Buches auf einmal nichtig wurde, weil es mich extrem tangierte, was der „Rotzbremsen-Mann“ (so nannte ich ihn im Stillen; ich wusste ja seinen Namen nicht und da er ein Oberlippenbart trug…) und die Person die schon die ganze Zeit gegenüber von mir saß, zu bereden hatten. Sie unterhielten sich über diese bestimmte Schlagzeile in der Zeitung, die mit sehr, sehr großen Schriften und mit wenig Inhalt, jedoch mit vielen Bildern, illustriert ist. Außerdem unterhielt sich die Truppe über ihre Frauen (ja, der liebe Mister, die liebe Miss Sexismus war auch vertreten… neben diesen Wesen, stand eine Gruppe halbstarker Jugendlicher, die sich köstlich darüber zu amüsieren schien.) und ich begann mich allmählich zu fragen „Wer ist eigentlich dieser Niveau und warum haben diese 4 Männer ihn ,bis jetzt, nie kennengelernt“??
Irgendwann wurde mir diese hohe Konzentration an Primitivität und der starke Alkoholgeruch, den mindestens 2 dieser Wesen aussonderten, zu viel und ich startete meinen mp3-player, weil ich mich ablenken wollte. und überhaupt, ich konnte mich sowieso nicht mehr auf den Bockmist von Mr. Laurie konzentrieren, weil ich vom Bockmist dieser Herren zu abgelenkt war. Ich beschloss also zu einer anderen Zeit weiter zu lesen, um mich erstmal der Musik widmen zu können. Zwischendrin hörte ich immer wieder sehr lautes Lachen, das sogar die Lautstärke meiner Kopfhörer überbot. Ich amüsierte mich aber auch, wenn auch anders als diese Herren.

Nach geraumer Zeit musste ich in eine andere Bahn umsteigen.
Ich setzte mich in ein Zweite-Klasse-Abteil, das aber aussah wie eins der ersten Klasse (mehr Beinfreiheit und mehr Sitzfläche. und mehr Niveau?!) und begann mein Buch aufzuschlagen. Ich war mittlerweile ziemlich genau bei der Hälfte des Buches angelangt, als sich 2 Männer neben meinen 2er-Sitzplatz in einen 4er-Sitzplatz setzten. Der eine holte eine normale Tageszeitung aus seinem Aktenkoffer und begann zu lesen, während sich der andere der beiden Herren seinem tragbaren Musikabspielgerät hingab. Das alles bemerkte ich so nebenbei, ich konnte also ungestört weiterlesen.
Kurz vor Abfahrt des Zuges hetzte ein dritter Mann in Anzug, Krawatte und mit Aktenkoffer durch die Abteiltür. Man sah auch ihm an, dass er vermutlich bei einer Bank, Versicherung, oder bei etwas dergleichen arbeitet. Der Mann setzte sich zu den anderen Zwei und sie begrüßten sich nicht irgendwie, sie begrüßten sich sehr formell. Ich las weiter in meinem Buch, bis ich die Wortfetzen „Vierzig Millionen“ gehört hatte. Ab diesem Zeitpunkt war der Bockmist der Wesen, sowie der des Autors, der das Buch schrieb, nebensächlich und die 3 Herren bekamen meine vollständig ungeteilte Aufmerksamkeit, ob sie nun wollten oder nicht. Ich bin auch nur ein Mensch, und Menschen werden bei den Worten: „Geld“, „Vermögen“ oder dergleichen nun mal hellhörig, möglicherweise um sich dann neidisch, abwertend, oder evtl. sogar anerkennend zu äußern – selbstverständlich meist diskret, also meistens nur in Gedanken…
Aber aus irgendeinem Grund dachte ich nicht über den Reichtum dieser Herren nach. Ich hörte nur sehr aufmerksam zu, und u.a. deswegen kam ich zu dem Entschluss, dass es nicht alltäglich und normal ist (und sein kann), zuerst 4 abstürzende Alkoholspielplätze, mit einem geschätzten IQ von zweieinhalb Meter Feldweg durch die Welt laufen, und anschließend 3 nicht gerade arme Menschen zu treffen, die sich ganz offen über die Millionen des Unternehmens, das sie betreuen bzw. in dem sie arbeiten, unterhalten.
Und wieder einmal hat mir der Alltag gezeigt, dass Bildung und Armut sich leider oft ausschließen. zusammengefasst: Bildungsarmut, und schon wird der Sinn verändert.
Oder war ich vielleicht doch zu oberflächlich??

Ein weiteres, jedoch schon ein paar Tage zurückliegende Ereignis, regte mich sehr zum Nachdenken an. Ich möchte mich kurz und knapp fassen:
An einem Nachmittag der vergangenen Woche saß ich auf einer Bank, als sich plötzlich 2 Grundschülerinnen neben mich setzten und zu reden begannen. Erst redeten sie über ihre Freunde, und wer gerade wen in der Klasse gut mag und wen man überhaupt nicht ausstehen kann. Ganz normal eben…
Und auf einmal fängt das eine der Mädchen an über die Zeitung zu reden, die sie heute morgen gelesen hatte und kurz darauf waren beide Personen in eine Diskussion (!) über die Arbeitslosigkeit verwickelt. Ich möchte jetzt gar nicht bewerten ,wie sehr und ob es überhaupt der Realität entsprach was sie sagten und wie objektiv die beiden argumentierten– das ist in diesem Alter doch nahezu egal.

Enorm wichtig ist doch, dass sich 2 Mädchen aus der dritten oder vierten klasse (so weit ich sie einordnen kann) in ihren Gesprächen, trotz so jungem Alter, Gedanken über ihre und auch unsere Welt machen, während sich 4 stammtisch-besuchende Freunde, über ihre Frauen lustig machen und sowieso generell auf und über die ganzen Politiker schimpfen bzw. lästern.
Bei den Mädchen kam eine auf beiden Seiten gedanken-anregende Diskussion zustande, die anderen Herren jedoch tauschten sich nur über die vermeidlich dümmste und verführeristischsten Erfindung der Menschheit, das Geld, aus.

Ist so jeder Tag in unserer immer-schneller-werdenden Welt? Können wir das überhaupt noch beobachten und richtig beurteilen?

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